Hockenheim – Stadt auf dem Weg ins dritte Jahrtausend

Hockenheim ist „eine kleine Stadt abseits vom großen Getriebe der Welt, benachteiligt vom Glück in mancherlei Hinsicht, ein wahres Stiefkind der Natur“. So können wir es in der „Hockenheimer Zeitung“ vom 28.Mai 1932 lesen, die ein Tag vor dem ersten Rennen in Hockenheim erschienen ist.
Nach einem Prospekt des Hockenheimer Verkehrsvereins von 1989 ist Hockenheim „eine lebendige kurpfälzische Stadt – mit ihrer über 1200-jähriger Geschichte – am westlichen Rand des herrlichen Hardtwaldes in der fruchtbaren Rheinebene gelegen“.
Zwei völlig gegensätzliche Aussagen über eine und dieselbe Stadt werden hier gegenübergestellt. Sie sollen nicht näher untersucht werden, aber sie regen an, sich einmal näher mit der Entwicklung Hockenheims zu beschäftigen.
Prägend für eine Stadt, auch für Hockenheim, sind die naturräumlichen Gegebenheiten. Wer in Hockenheim lebt, der schätzt den weiten Blick in alle Himmelrichtungen. Die Oberrheinische Tiefebene ermöglicht dies. Sie ist ein Teil eines mächtigen Grabsystems, das vom Rhönetal über den Leinegraben bis nach Oslo reicht.
Die Auwälder und Wiesen der Rheinaue sowie die Spargel- und Tabakfelder, aber auch der Hardtwald auf der aus Kies- und Sandplatten bestehenden Niederterrasse, prägen die Landschaft um Hockenheim. Flusstäler waren schon früh Siedlungsräume und Durchgangsland. In dieser Funktion hat auch die Oberrheinische Tiefebene eine alte Tradition.
So lassen Hockergräberfunde bereits eine Besiedlung um 2000 vor Christus nachweisen.
Schauen wir uns Fundkarten unseres Raumes an, so fällt die Häufung von archäologischen Fundvorkommen aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit entlang des Kraichbachs auf, die auf Siedlungsplätze verweisen. Natürlich wurde auch der Raum Hockenheim durch die jungeisenzeitliche keltische La-Téne-Kultur geprägt, wie durch entsprechende Funde nachgewiesen ist.
Selbst die Römer hinterließen in dieser Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes ihre Stempelabdrücke, denn am Hockenheimer Kraichbachufer wurden Ziegelstempelformen gefunden, die der Archäologe Dr. Bernd Heukemes der Mainzer legio XIV gemina Martia vitrix zuordnete. Römische Militärstraßen lassen sich heute noch nachweisen.
Das römische Kulturland mit seinen Straßen wurde im 5. Jahrhundert von den Alamannen erobert und besiedelt.
Mit dem Sieg Chlodwigs über die Alamannen im Jahre 496 nach Christentum.
Im Jahre 769 nach Christus wird im Kodex des karolingischen Klosters Lorsch „Ochinheim“ erstmals urkundlich erwähnt.
Im Laufe der Jahrhunderte ändert sich der Name in „Hockenheim“. Der Heimatforscher Ernst Brauch weist diese Schreibweise erstmals ab dem Jahre 1238 nach.
Das Mittelalter wurde über weite Strecken geprägt von Hockenheimer Ortsadligen und der Herren von Wersau.
War Hockenheim bisher zumeist speyrisch, so kam es zum Ende des Mittelalters, im Jahre 1462, in den Besitz der Pfalzgrafen bei Rhein, die später pfälzische Kurfürsten wurden.
1803 kam es zu einem erneuten Herrschaftswechsel, als die rechtsrheinische Kurpfalz an das Kurbaden fiel. Im Jahre 1806 wurde Kurbaden Großherzogtum.
Die Jahrhunderte zuvor waren geprägt durch zahlreiche Kriegswirren. Sicherlich hat hierzu auch die Lage Hockenheims in der Rheinebene beitragen, denn diese war nun einmal ein Durchgangsland, durch das auch fremde Heere zogen.
So wurde Hockenheim im Dreißigjährigen Krieg und in den Erbfolgekriegen wiederholt zerstört. Dies ist auch ein Grund, dass in Hockenheim nur wenige alte Gebäude zu finden sind. Erhalten sind noch aus dem Jahre 1490 der gotische Turm des heutigen katholischen Gemeindezentrums und das Schildwirtshaus „Güldener Engel“, erbaut 1690. Der „Güldener Engel“ ist das Stammhaus der Familie Engelhorn, aus der der spätere Gründer der BASF hervorgegangen ist.
Im 19. Jahrhundert wurde eine neue Entwicklung eingeleitet. Bestimmte bisher vor allem die Landwirtschaft das Leben, so verdienten nun immer mehr Menschen durch Fabrikarbeit ihren Lebensunterhalt. Ab 1860 wurde die Zigarrenfabrikation in Hockenheim heimisch. Beinahe 120 Jahre, bis zum Jahre 1979, wurden in Hockenheim Zigarren hergestellt. In der Blütezeit der Zigarrenfabrikation waren rund 2200 Männer und Frauen als Wickelmacher, Zigarrenroller, Sortierer und Verkleber in rund 20 Betrieben beschäftigt, die Klein- und Kleinstbetriebe mit Heimarbeit nicht mitgezählt.
Heute erinnert an diese Zeit noch das im Jahre 1984 eröffnete Tabakmuseum, das Lieblingskind des Altstadtrats und Ehrenbürgers Josef Hauck.
Auch der Tabakanbau ist stark zurückgegangen. 1999 bauen nur noch drei Landwirte acht Hektar Tabak an. Doch wird bis heute je nach Blickwinkel die Ansicht Hockenheims von hohen Tabakschuppen geprägt. Hockenheim hat heute noch 21 landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe. Zahlreiche Betriebe siedelten bereits 1960 aus.
Der Spargelanbau spielt sowohl im Haupt- als auch im Nebenerwerb eine bedeutende Rolle. Auf 12 Hektar wird zurzeit das königliche Gemüse angebaut.
Insgesamt hat Hockenheim eine Gemarkung von 3485 Hektar, davon sind 1708 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, 787 Hektar Wald und 656 Hektar Naturschutzgebiet.
Im Jahre 1870 erfährt die Rheinebene erneut ihre Bedeutung als Durchgangsland, denn in diesem Jahr ging die Rheintalbahn in Betrieb. Im zwanzigsten Jahrhundert wurden parallel zur neuen Rheintalbahn im Jahre 1986 die Schnellbahntrasse eingeweiht. Bereits in den sechziger Jahren wurde Hockenheim durch den Bau der Autobahnen A6 und A61 an das europäische Fernstraßennetz angebunden.
Mit der Zigarrenfabrikation erlebte Hockenheim am Ende des 19. Jahrhunderts einen Aufschwung, so dass der badische Großherzog Hockenheim im Jahre 1895 die Stadtrechte verlieh.
Von der Blüte um die Jahrhundertwende zeugen zahlreiche Gebäude. So kann Hockenheim auf Kleinod in seiner Stadtmitte verweisen, nämlich auf ein Jugendstilensemble, das die Katholische Kirche, die Pestalozzi-Schule, die Evangelische Kirche, das evangelische Pfarrhaus und die ehemalige Zigarrenfabrik GEG umfasst. Auch der Bau des Wasserturm fällt in diese Zeit.
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts werden das städtische Gaswerk und die öffentliche Wasserversorgung eingerichtet.
Jäh unterbrochen wurde diese Entwicklung durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, an dessen Folgen die Stadt lange zu tragen hatte. Erst in den fünfziger Jahren zeigt sich in Hockenheim eine neue Aufbruchstimmung.
Lediglich die Verlegung des Stromnetzes in den Jahren 1919-1921 und der Bau der Hockenheimer Rennstrecke 1932 sind aus der Zeit zwischen den Weltkriegen erwähnwnswert.
Der Vater der Rennstrecke und das des daraus 1964-1966 entwickelten Motodroms, der heutigen Ehrenbürger Ernst Christ, hatte 1932 geschrieben:“ Hockenheim hat diesem Sport eine ideale Kampfstätte wiedergeben und damit ein neues Fundament im Südwesten unseres Vaterlandes für neue Taten geschaffen“. Die Vision Ernst Christs ging in Erfüllung. Der Hockenheimring ist heute die Rennstrecke des Großen Preises von Deutschland für die Formel 1.
Nach dem Zweiten Weltkrieg prägten Landwirtschaft, Zigarrenfabriken und Auspendler das wirtschaftliche Leben der Stadt. Ab den fünfziger Jahren hat der Hockenheimer Gemeinderat mit dem damaligen Bürgermeister Kurt Buchter an der Spitze erfolgreich die Industrieansiedlung betrieben. Damit wurde die Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung gelegt. Bei der letzten Volkszählung im Jahre 1987 wurden in Hockenheim 11.107 Arbeitsplätze ausgewiesen. Leider ist das Gespenst der Firmenschließungen und damit des Arbeitsplatzabbaus an Hockenheim nicht spurlos vorübergegangen.
Die Kommunalreform in Baden-Württemberg brachte für Hockenheim 1975 die vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft mit den Gemeinden Altlußheim, Neulußheim und Reilingen. Das Unterzentrum Hockenheim wurde 1976 Untere Verwaltungsbehörde für diese Verwaltungsgemeinschaft.
Durch die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg durchgeführten Rennen kamen die Hockenheimer mit Besuchern aus aller Herren Länder in Kontakt. Weltoffenheit war angesagt. So verwundert nicht, dass durch die Junge Union mit ihrem damaligen Vorsitzenden und heutigen Ehrenbürger Adolf Stier an der Spitze, bereits 1957 erste Kontakte mit jungen Menschen der lothringischen Stadt Commercy aufgenommen wurden, aus denen dann im Jahre 1970 eine bis heute florierende offizielle Städtepartnerschaft erwuchs. Das im Jahre 1961 errichtete Völkerkreuz im Stiegwiesenpark ist ein beredtes Zeugnis für den Versöhnungswillen der Hockenheimer mit den Völkern Europas.
Nach der Wende ist Hockenheim im Jahre 1990 eine weitere Städtepartnerschaft mit der sächsischen Rennstadt Hohenstein-Ernstthal eingegangen.
Durch den bereits erwähnten Bau der Schnellbahn kam es einerseits zu einer Neuordnung des überörtlichen und des innerörtlichen Verkehrs, letztere ist bis heute noch nicht abgeschlossen.
Andererseits bedeutet die Bundesbahnneutrassierung einen gewaltigen Eingriff in die Landschaft um Hockenheim. Bürgermeister Gustav Schrank und der Gemeinderat sahen darin aber auch Chancen für Hockenheim. Die Landesgartenschau 1991 mit der Neugestaltung des Stiegwiesenparks, der Kraichbachrenaturierung und der Schaffung der Parkanlage auf der alten Bahntrasse, betrachten die Hockenheimer als einen Glanzpunkt ihrer jüngeren Geschichte. Die Hockenheimer erlebten ihre Landesgartenschau als ein einziges Fest.
Nach der Industrieansiedlung hatte in Hockenheim die Daseinsvorsorge zunächst Vorrang. Schulen, Sport-, Erholungs- und Sozialeinrichtungen wurden errichtet, neue Baugebiete ausgewiesen und die Innenstadtsanierung in Angriff genommen. Überregionale Bedeutung erlangte das im Jahre 1977 eröffnete Hallenbad „Aquadrom“.
Was fehlte, war ein städtischer Saal für kulturelle Veranstaltungen. Im März 1991, rechtzeitig vor Eröffnung der Landesgartenschau, konnte die neue Stadthalle im Herzen der Stadt eingeweiht und damit eine neue Stadtmitte gestaltet werden.
Aus dem kulturellen und gesellschaftlichen Leben sind die Stadthalle sowie das Jugend- und Kulturhaus „Pumpenwerk“ nicht mehr wegzudenken.
Hockenheim ist heute an der Schwelle zum dritten Jahrtausend eine Stadt mit knapp 20.000 Einwohnern, ein, wie es Bürgermeister Gustav Schrank gerne und treffend formuliert, „vitales Gemeinwesen mit einem hohen Wohn- und Freizeitwert sowie ein im Raum bedeutsamer Gewerbe- und Industriestandort“.
Aus dem Jahre 1999 von Stadtrat Alfred Rupp
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